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2011-01-20 15:04 (Kommentare: 0)
Immer wieder werde ich – vor allem von Ägyptern - gefragt, warum ich in Ägypten lebe. Die meisten können nicht nachvollziehen, warum ich das komfortable Leben in Europa dem chaotischen in Ägypten vorziehe.
Ad hoc fällt es mir immer schwer zu sagen, warum ich gerne in Kairo lebe. Das hängt wohl damit zusammen, dass mir spontan gefühlte tausend Dinge einfallen, die mich hier im täglichen Leben nerven. Und trotzdem: wenn ich längere Zeit nicht in Ägypten bin, vermisse ich es schrecklich.
Vielleicht liegt es daran, das die Ägypter ein Volk sind, dass alles mit Gefühl tut – sie lachen, streiten und tanzen gern, und singen tun sie eh überall, nicht nur unter der Dusche wie die Deutschen. Sie haben ein großes Herz und einen noch größeren Glauben, der es ihnen erlaubt, die Last des Lebens an Gott abzugeben. Er richtet alles, deshalb nehmen sie vielleicht auch nicht alles so ernst. In Ägypten muss man nicht immer funktionieren, schließlich funktioniert hier ja eh selten etwas.
Das nervt mich, aber es nimmt auch einen gewissen Druck. Aber natürlich vergesse ich auch nach Monaten im geregelten Deutschland nicht die kleinen und großen Quälereien des ägyptischen Alltags. Die Stunden im Stau, die höchstwahrscheinlich lebensgefährlichen Werte von Kohlenmonoxid und Blei in meinem Körper, die Korruption und den ständigen Lärm, der Tag und Nacht meine Ohren quält. Dass ich wahrscheinlich frühzeitig taub werde, weil meine Ohren einem konstanten Lärmpegel von etwa 85 Dezibel ausgesetzt sind, habe ich mittlerweile fast akzeptiert.
Nichtsdestotrotz lebe ich hier und bin meist sehr froh darüber. Neben der Leichtigkeit, die das Leben hier bietet, gibt es noch einen wichtigen Grund für meine Liebe zu dieser Stadt. Am Wochenende war ich mit Freunden unterwegs, habe Ausstellungseröffnungen besucht und war in Restaurants essen, in denen schon britische Offiziere zur Zeit der Besatzung Stammgäste waren. Egal wo ich hinkam, sah ich bekannte Gesichter. Das ist es, was ich so liebe an dieser Stadt. Sie ist riesig, chaotisch, exotisch und aufregend, voller Geschichte und Geschichten, und man ist hier nie einsam.
Kairo ist Metropole und Dorf zugleich, jeder kennt jeden, und wir können uns alle gemeinsam herrlich über verstopfte Straßen und Korruption aufregen. Dass wir ein bisschen lauter sprechen als unbedingt nötig, fällt keinem mehr auf. Schließlich ist ganz Ägypten ein bisschen taub
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