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2011-07-20 13:04 (Kommentare: 0)
Gut, wir dürfen uns nicht beschweren. Dieses Jahr bescherte der Wettergott Ägypten noch bis in den Juni hinein Temperaturen um die 30 Grad begleitet von angenehm kühlen Brisen. Man konnte nachts sogar die Fenster offen lassen, es glich einem kleinen Wunder. Doch jetzt, im Juli, ist es damit endgültig vorbei.
Meine Träume von einem tatsächlichen Klimawandel, der Ägypten auf Dauer Südfrankreich-Sommer bescheren würde, haben sich leider nicht erfüllt. Bei schwüler Hitze und 40 Grad im Schatten leiden sogar Ägypter. Ich bin also in guter Gesellschaft. Wer kann setzt sich für den Sommer an die Nordküste ab, wo das Mittelmeer für Abkühlung sorgt. Wir Zurückgebliebenen hangeln uns derweil von Klimaanlage zu Klimaanlage. Morgens quäle ich mich schon um kurz nach sechs Uhr aus dem Bett, um im Pool meine Runden zu drehen. Schon um sieben steht die Sonne so hoch, dass ich es nur unter Wasser oder in klimatisierten Räumen gut aushalte.
Meine größte Bewunderung genießen dieser Tage die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz. Im Winter dort zu campieren war eine Sache, mit fester Kleidung und Schlafsäcken ließ es sich relativ gut aushalten. Doch jetzt im Sommer bietet der Platz keinen Ort der Schatten spendet. Die Sonne scheint unerbittlich auf die Aktivisten hinab, die sich seit fast zwei Wochen dort im Sitzstreik befinden. Doch die Ägypter sind die MacGyvers dieser Welt, sie finden immer eine Lösung. Auch auf dem Tahrir-Platz haben sie sich eingerichtet. Es gibt wieder eine Krankenstation, in der dehydrierte Patienten versorgt werden können, und die Aktivisten haben für Stromversorgung gesorgt, um Ventilatoren zu installieren. Natürlich gefällt den derzeitigen Machthabern am Nil das Treiben auf dem Platz nicht, deshalb griffen sie zu einem besonders gemeinen Mittel, um die Demonstranten zu vertreiben: Sie stellten kurzerhand die Stromversorgung auf dem Platz ab. Innerhalb von Minuten gingen über Twitter Meldungen ein, in denen Aktivisten um Generatoren zur Unterstützung des Sitzstreiks baten. Es dauerte nicht lange, und die Ventilatoren liefen wieder. Ich darf mich also eigentlich in meiner herunter gekühlten Wohnung nicht beschweren.
Trotzdem träume ich täglich von den nordhessischen Wäldern. Und manchmal, wenn ich mit meinen Lieben über Skype telefoniere, nehmen sie mich mit ans Fenster und zeigen mir die nassen Bäume davor. Dann bin ich für einen Moment beim Klang des plätschernden Regens zurück in der Heimat.
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