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2010-07-28 09:48 (Kommentare: 0)
Es ist Sommer, es ist heiß und es sind Sommerferien – auch in Ägypten. Das heißt auch hier Reisezeit. Und was für den Deutschen die Nordsee ist, ist für den Ägypter die Nordküste. Im Volksmund schlicht die „Sahel“. Das ganze Land migriert für drei Monate ans Mittelmeer, um der glühenden Hitze im Landesinneren zu entfliehen. Als ich vor zwei Wochen von einem Aufenthalt in Deutschland zurückkam, habe ich den Unterschied in Kairo sofort bemerkt. Die Straßen sind leerer, es ist nachts viel ruhiger und am Wochenende hat man fast das Gefühl, die Stadt für sich alleine zu haben. Aber bei 40 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit wandere auch ich lieber den Massen hinterher ans Mittelmeer.
Die Sahel ist bei Reich und Arm gleichermaßen beliebt, und die Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit der ägyptischen Gesellschaft lässt sich auch dort in Extremen beobachten. Wer Geld hat, der hat auch meist ein Haus in einem der gut bewachten und eingezäunten Wohnviertel, die die gesamte Küste säumen. Sie heißen Hacienda und Marina und alles was der Ägypter zum Leben benötigt lässt sich dort finden. Eine Zweigstelle des Lieblingsrestaurants, der Lieblingsbar oder des Stammfrisörs. Sogar Kunstgalerien ziehen für den Sommer an die Küste und kommen erst im September mit ihren Ausstellungen nach Kairo zurück.
Das gesamte gesellschaftliche Leben verlagert sich für die Sommermonate in den Norden. Vor allem die Jugendlichen genießen die lange Ferienzeit am Strand. Gefeiert wird Tag und Nacht, und dabei scheint es für die Oberschicht-Kinder kaum noch Grenzen zu geben. Gestern im Café erzählten mir besorgte Mütter von Orgien, Drogenpartys und anderen Exzessen. Freunde hatten am helllichten Tag beobachtet, wie Jugendliche Champagner am Strand versprühten und anschließend vom Körper der Freundin leckten.
Nur ein paar Kilometer entfernt von den freizügigen Partys spielt sich das krasse Gegenprogramm ab. Tausende von Ägyptern bevölkern die öffentlichen Strände der Nordküste, sie schwimmen, entspannen und machen Picknicks, genau wie ihre reichen Landsleute. Doch hier gibt es keine abgezäunten Wohnviertel, schicken Restaurants und natürlich keinen Alkohol. Hier gehen die Frauen nicht im Bikini sondern im Ganzkörperschleier ins Wasser. Eine Frau im Bikini fühlt sich hier schnell nackt, vor allem, weil sie umgehend von mehreren jungen Männern und ihren Fotohandys umringt wird. Denn die hat mittlerweile jeder Ägypter, egal welcher Schicht er angehört.
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