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2013-05-08 08:15 (Kommentare: 0)
Seitdem ich umgezogen bin, wache ich morgens sehr oft zu den Klängen der Tonleiter auf. Ich höre sie oft schon um sieben Uhr morgens, gespielt auf Geige, Klavier oder Querflöte. Ich liebe Musik, aber es gibt kaum etwas Schlimmeres als Geigenübungen von einem Anfänger - und das um sieben Uhr morgens. Meine neue Wohnung liegt direkt hinter der Musikschule meines Viertels, die in einer wunderschönen alten Villa untergebracht ist. Uns trennt nur ein großer Garten, in dem Vögel und auch grüne Papageien zwitschern. Da sich auch mein Büro in meiner Wohnung befindet, bin ich also den ganzen Tag von Zwitschern, Trällern und Geklimper umgeben, manchmal schönem, manchmal weniger schönem. Vor ein paar Wochen versuchte sich jemand an der Melodie von „Hänschen klein“. Das war bizarr, schließlich sind wir in Ägypten, aber es hat mich innerhalb von Sekunden in gute Stimmung versetzt.
Überhaupt ist man in Ägypten ständig in irgendeiner Weise von Musik umgeben. Die Ägypter lieben Musik. Mein Bawaab – der Hausmeister, der in unserer Straße auch das Parkangebot regelt (wer Vitamin B besitzt und ein guter Trinkgeld-Geber ist hat definitiv bessere Chancen auf einen Parkplatz) läuft schon am frühen Morgen durch unsere Straße, seinen großen Spazierstock schwingend und laut singend. Ich bin fest davon überzeugt, dass er da schon die erste Ladung Cannabis intus hat, aber egal wie, es macht ihn lustig. Überhaupt ist es keine Seltenheit durch die Straßen Kairos zu laufen und singenden Menschen zu begegnen. Die Ägypter kennen da keine Scham. In Deutschland würde man einen laut singenden Spaziergänger für verrückt erklären, hier nimmt kaum jemand Notiz von ihm und wenn, dann indem man sich mitfreut. Auch Taxifahrer vertreiben sich gerne die Zeit mit Singen. Mir sind solche die Liebsten. Wer singt ist weniger aggressiv und vor allem Taxifahrer in Kairo, die den ganzen Tag im Stau stehen, brauchen ein Ventil. Also doch lieber singen als austicken. Vor ein paar Wochen war ich mit ein paar Freundinnen abends unterwegs. Wir wollten zu einem Konzert im koptischen Viertel. Wir waren zu fünft. Der Einfachheit halber sind wir alle in ein Taxi gestiegen – in Kairo geht so etwas ohne weiteres. Ich saß beim Fahrer vorne, ein junger Mann, der Radio hörte und sich von den fünf aufgedrehten Frauen in seinem Auto nicht stören ließ. Er war ganz in seiner eigenen Welt versunken und sang die ganze Fahrt über laut die Liebeslieder aus dem Radio mit. Wir fanden das großartig und mussten immer mehr lachen. Ich glaube am Ende war er dann doch ganz froh, als er uns endlich los war. Er hat noch nicht mal um den Preis gefeilscht.
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